Think INSIDE the Box – Die Kreativitätsmethode „Systematic Inventive Thinking“

Moment, ist das nicht ein Fehler im Titel? Sollte es nicht „Think Outside the Box“ heißen?

Nein, ist es nicht. Es geht um die Methode Systematic Inventive Thinking (SIT). SIT verfolgt die Prinzipien, bei Problemlösungen die Ressourcen in Betracht zu ziehen, die unmittelbar verfügbar sind (Closed World). So entdecken Sie bahnbrechende Innovationen direkt vor Ihrer Nase.

SIT ist mit TRIZ verwandt. Die Arbeitsmethode umfasst fünf Vorlagen zur Lösung von Problemen und Entwicklung von Innovationen.

  • Substraction
  • Division
  • Multiplication
  • Task Unification
  • Attribute Dependency

Die Reifenpanne und die Closed World

Im Buch „Inside the Box. Innovation mit Methode.“ beschreiben die Autoren das Erlebnis einer Reifenpanne zwei junger Ingenieure der Aeronautik. Der Reifenwechsel ist eigentlich kein Problem. Aber als sie mit dem Kreuzschlüssel die Radmutter aufdrehen wollten, stellten sie fest, dass sie eingerostet waren. Es war das Jahr 1990, daher gab es noch keine Handys, um Hilfe zu holen. Hilfsmittel wie Pannensprays oder Rohre zur Verlängerung der Hebel waren nicht verfügbar, daher mussten sie in der „Box“, in diesem Fall dem Auto, suchen. Die Lösung war der Wagenheber, wie im Bild unten dargestellt wird. Das war ein prägendes Erlebnis der beiden Ingenieure und die Geburtsstunde von Systematic Inventive Thinking (SIT).

 

Grundprinzip „Closed World“

Diese Geschichte erklärt das Prinzip der Closed World bestens. Man sucht nach Lösungen in unmittelbarer Nähe, wodurch nicht ausgeschlossen wird, dass auch nach Lösungen in der Umgebung gesucht werden kann. Doch die Autoren stellen fest, dass Menschen umso weniger kreativ sind, umso mehr sie sich vom Thema entfernen.

Folgende Situation in einem Kreativworkshop ist dabei gut vergleichbar und durchaus nachvollziehbar. Fragen Sie ein Team nach Ideen zum Beispiel für ein neues Produkt für Kinder. Es wird dauern, bis Ideen kommen oder der Ideenfluss bricht schnell ab. Grenzt man den Raum ein, zum Beispiel nennen Sie ein konkretes Bedürfnis oder eine Situation, werden Ideen schneller und vermehrt anfallen und wahrscheinlich konkreter sein.

Das Prinzip „Closed World“ setzt darauf, dass bahnbrechende Innovationen meist direkt vor der Nase liegen. Kreativität wird in diesem Sinne durch Begrenzungen und nicht durch Freiheiten gefördert.

Grundprinzip „Function follows Form“

Auch dieses Prinzip geht entgegen einer allgemeinen Annahme. Oft dominiert der Glaube, ein Problem vor der Lösungssuche zuallererst definieren zu müssen. (zB bei Design Thinking, was dort ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist)

Bei Systematic Inventive Thinking geht es umgekehrt: Sie beginnen mit einer abstrakten Lösung und arbeiten sich von dort zum Problem zurück. Bei SIT kreieren Sie dadurch eine Form und suchen dann nach Funktionen. Deutlich wird dieses Prinzip bei der folgenden Vorstellung der Techniken.

Diese fünf Techniken können für bestehende Produkte und Services angewendet werden, um sie zu innovieren, eine bessere Generation zu entwickeln oder sich von der Masse zu differenzieren.

Technik 1 „Substraction“

Bei der Subsraction wird etwas eliminiert, das für wichtig und nötig gehalten wird. Dann wird überlegt, wie die verlorene Funktion anders gelöst werden kann. Dadurch kommen Sie auf kreative neue Ansätze.

Ein Beispiel ist ein Anästhesie-Gerät, bei welchem der Bildschirm entfernt wird. Die Lösung ist die Anzeige über den Hauptbildschirm im Operationssaal, was für die Ärzte wesentliche Vorteile bringt.

Technik 2 „Division“

Bei der Division werden Komponenten aufgeteilt und neu zusammengesetzt. Durch eine neue Konfiguration entsteht ein neuer Nutzen.

Beispielsweise wurde der Motor der Klimaanlage entfernt und durch eine Positionierung außerhalb des Gebäudes entsteht damit kaum Lärmbelästigung.

Technik 3 „Multiplication“

Bei der Multiplication wird eine Komponente kopiert und verändert.

Beispiel: Mehrfachrasierklingen, die unterschiedliche Funktionen haben. Die erste Klinke richtet das Haar auf, die Zweite schneidet, …

Technik 4 „Task Unification“

Bei einem Prozess, einem Produkt oder einer Dienstleistung übertragen Sie einer Komponente oder Ressource eine zusätzliche Aufgabe.

Ein Beispiel ist Captcha, die Eingabe unleserlicher Buchstaben bei Bestell- oder Anmeldemasken. Zweck ist die Sicherstellung eines menschlichen Gegenübers. Captcha wird auch als reCaptcha von Google zur Digitalisierung von Büchern genutzt.

Technik 5 „Attribute Dependency“

Diese ist die komplizierteste, aber auch weit verbreitetste Technik. Dabei werden Eigenschaften und Variablen eines Produktes, die kein Verhältnis haben, verbunden. Dazu bietet SIT eine Methodik an, die Sie durchspielen können.

Beispiele sind Scheibenwischer, die ihre Geschwindigkeit der Regenmenge anpassen oder Frontscheinwerfer, die bei Gegenverkehr automatisch abblenden.

Fazit

Systematic Inventive Thinking ist eine großartige Kreativitätsmethode, besonders zum Innovieren von bestehenden Produkten. Einzigartig sind die Prinzipien der Methode, entgegen vielen allgemeinen Sichtweisen und das macht sie besonders spannend. Mit etwas Methodenkompetenz zu den fünf Techniken können Sie bald bahnbrechende Ideen generieren.